Kaffee mit Stefan – Wirecard und Greensill – oder Geschichte der schönen neuen Fintech Welt?

Die Geschichte von Greensill beginnt im Jahr 2011, als der australische Investmentbanker Lex Greensill sich in London selbstständig macht. Er tritt an, um mit seinem Start-up das Geschäft der Lieferkettenfinanzierung endlich mal „fairer“ zu machen. Wie es ja alle Fintech Unternehmen eigentlich machen wollen, Geld verdienen möchte keines dieser Unternehmen! Gebühren und Kosten darf es nicht mehr geben! Der heute 44-Jährige ist ein begnadeter Verkäufer.

Gerne erzählt er, wie er als Teenager auf der elterlichen Farm in Australien den ersten Anschauungsunterricht mit säumigen Rechnungszahlern erhielt. Im Herzen sei er ein Bauer geblieben, am liebsten sitze er auf einem Trecker, behauptet der Londoner Finanzmanager. Deshalb wolle er mit seiner Technologie helfen, dass kleine Unternehmen sich zu den gleichen Bedingungen finanzieren können wie Staaten und Konzerne. Es ist eine dieser schönen Fintech-Geschichten.

Das Geld kommt von kleinen Privatsparern, Kommunen, Geldanlegern, Firmen und wird wiederum an Unternehmen weitergegeben, um deren Lieferrechnungen vorzustrecken, die diese dann flexibel später oder in Raten zurückzahlen können. In Großbritannien wird Greensill als eines der erfolgreichsten Start-ups gefeiert, der Chef hält sich eine eigene Flotte von vier Gulfstream-Jets. 2018 erreicht das Unternehmen den begehrten Einhorn-Status: Das Fintech ist nun 1,6 Milliarden Dollar wert, nachdem der Risikokapitalgeber General Atlantic 250 Millionen Dollar investiert hat.

Dieser Vertrauensbeweis ruft einen noch größeren Investor auf den Plan: Die japanische Softbank steigt 2019 mit 1,5 Milliarden Dollar ein und treibt die Bewertung von Greensill auf vier Milliarden Dollar. Also alles Toll? Nein weit gefehlt, denn gerade auf dem Höhepunkt des Hypes beginnen die ersten Zweifel am Geschäftsmodell und an der Solidität! Die deutsche Bankenaufsicht Bafin beginnt mit einer forensischen Sonderprüfung der Banktochter in Bremen.

Die Kontrolleure gehen dem Verdacht nach, dass viele Forderungen, die Greensill aufgekauft hat, in Wirklichkeit gar nicht existieren. Als sich dieser Verdacht erhärtet, verbieten die Kontrolleure der Bank, weitere Forderungen von Greensill aufzukaufen. Als Greensill noch seinen Versicherungsschutz aus Japan verliert und weitere große Banken vom Unternehmen abrücken und kein frisches Kapital mehr zur Verfügung stellen, bricht alles in sich zusammen! Lügen haben halt kurze Beine! Und was nun? Ganz einfach: Viele private Anleger, Kommunen und Firmen verlieren ihr angelegtes Geld! Das Ausmaß ist gewaltig! Rund 50 Bundesländer und Kommunen müssen sich auf Verluste einstellen.

Allein vom Land Thüringen stehen 50 Millionen Euro auf dem Spiel, von der Stadt Monheim 38 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die ungedeckten Einlagen auf rund 500 Millionen Euro. Private Investoren, die über Plattformen wie „Weltsparen“ und „Zinspilot“ rund drei Milliarden Euro bei Greensill angelegt haben, kommen dagegen wohl mit dem Schrecken davon. Sie werden ihr Geld vom Einlagensicherungsfonds des Privatbankenverbands BdB zurückerhalten. Also wieder einmal muss die Gemeinschaft für die tollen Ideen der neuen Wilden hinhalten.

Wobei die Idee eines Schneeballsystems ja gar nicht so neu ist, außer, dass bisher keiner der Initiatoren auf einem Trecker für Fotoshootings gefahren ist, zu dem er mit seinem Privatjet geflogen kam! Große heimische Geldhäuser wie die Deutsche Bank und die Commerzbank müssen übrigens demnächst mehr in den Einlagensicherungsfonds einzahlen, um die Verluste wieder auszugleichen, die die Empfehlungen von Unternehmen wie Weltsparen und Zinspilot angerichtet haben. Also retten die herkömmlichen Geldinstitute Anleger, die sich im Internet genau gegen deren Produkte entschieden haben!

Jeder Anleger und Sparer sollte sich fragen, wie lange das noch funktionieren kann, wenn man an eine Welt glauben möchte, in der Gebühren und Kosten von Unternehmen offensichtlich nicht mehr gebraucht werden. Wir können übrigens darlegen, dass wir immer vor den Topzinskonditionen dieser Plattformen gewarnt haben. Bei Rückfragen melden Sie sich gerne bei uns und genießen Sie Ihren Kaffee und einen tollen Tag!

 

Stefan Schumacher schreibt einmal pro Woche seinen Kommentar zu aktuellen Themen der Geldanlage, den man kürzer lesen kann, als man Zeit benötigt, um eine Tasse Kaffee zu trinken.